Projekt im MalerSaal des Hamburger Schauspielhauses
Geplante Folgen:
1. »Exzessive Subjektivität«, mit Dominik Finkelde, 26.09.24.
2. »Aporetik des Todestriebs« mit Jule Govrin, 14.11.24.
3. »Simulationen der Wahrheit«, mit Juliane Rebentisch, 16.01.25.
4. »Metaphysik der 0«, mit Marcus Steinweg (Berlin), 06.03.25.
5. »Ästhetik und Akkumulation«, mit Katja Diefenbach, 22.05.25.
Musik: Rami Olsen (Microtonal Jazz)
Weitere Informationen unter: schauspielhaus.de/im-keller-der-metaphysik
In einem Keller ist es kühl, dort wird gemeinhin gelagert, was für die Zukunft frisch gehalten werden soll. Dementsprechend nachhaltig geht es auch im Keller der Metaphysik zu, wenn Begriffe der metaphysischen Tradition auf ihre Aktualität hin abgeklopft und weitergedacht werden.
Wird die Metaphysik aktuell in den Keller verfrachtet, um dort in Ruhe zu verwahrlosen? Oder handelt es sich beim Keller um eine geeignete Charakterisierung, da metaphysische Begriffe heute als etwas verstaubt und diskreditiert erscheinen? In welche Nischen zieht sich die Metaphysik zurück? Werden wir aktuell gar Zeug*innen eines philosophischen Abstiegskampfes, der das platonische Höhlengleichnis ins intellektuelle Niemandsland (ver)führt? Oder hat die Metaphysik gerade erst damit begonnen anzufangen? Inwiefern sind aktuelle Diskurse metaphysisch verfasst? Und welchen empirischen, psychischen und technologischen Gegebenheiten müssen sich diese Diskurse aussetzen?
Die Gesprächsreihe versucht derartige Fragen jenseits geläufiger Befragungsszenarien zu verhandeln. Dabei ist Improvisation ebenso gefragt, wie freie Assoziation, Publikumsbeteiligung und musikalische Abwegigkeit. Die Methode der Kellermetaphysik ist dabei wohl noch herauszuarbeiten. Fangen wir schnell damit an, jetzt, da das SchauSpielHaus die »Realnische 0« freigelegt hat! War die Metaphysik in gewisser Weise nicht immer schon unterirdisch?
Keller m. ›in die Erde gebautes unterstes Geschoß eines Hauses, unterirdischer Vorratsraum‹, ahd. kelleri (8.Jh.), mhd. keller, kelre, asächs. anfrk. kelleri, mnd. keller, mnl. kelre, keller, kelder, nl. kelder ist schon früh (noch zur Zeit der k-Aussprache des anlautenden c) mit anderen Wörtern des römischen Steinbaus entlehnt worden. Ausgangspunkt ist lat. cellārium ›Vorratskammer‹, zu gleichbed. lat. cella (s.Zelle). – Kellerei f. ›Gesamtheit der Kellerräume zur Vorratshaltung‹ (16. Jh.), dann besonders ›Betriebsräume zur Herstellung und Lagerung von Weinen‹. kellern Vb. ›in Kellern lagern‹, mhd. kelren, geläufiger einkellern (19. Jh.).
Ein Keller (auch »Kellergeschoss«, »Untergeschoss« oder »Sousterrain« genannt) ist ein geschlossenes Gebäudebauteil, das sich ganz oder zumindest überwiegend unterhalb der Erdoberfläche befindet. Zweck des Kellers war ursprünglich die Lagerung von Lebensmitteln in kühler Umgebung, da ein Keller eine gleichmäßigere Temperatur aufweist als ein oberirdisches Bauwerk. Durch die Fortschritte in der Entwicklung der Kältetechnik ist diese Bedeutung des Kellers jedoch in den Hintergrund getreten.
In einem ersten Schritt wird im Keller der Metaphysik die Frage »exzessiver Subjektivität« aufgeworfen. Sie betrifft das Spannungsfeld von politisch gebotenem Verzicht und konsumorientierem Genießen im Spätkapitalismus. Verfallen wir zunehmend in eine rastlose Suche nach »Mehr-Lust«, wie es der slowenische Philosoph Slavoj Žižek konstatiert? Oder lassen sich im Konsum-Moloch künstlerisch motivierte Strategien der Entsagung etablieren? Wie wollen wir uns in Zukunft gemeinsam politisch subjektivieren?
Ausgangspunkt der Diskussion wird eine Auseinandersetzung mit Theoremen des französischen Psychoanalytikers Jacques Lacan sein (›Der Graph des Begehrens‹, ›Der Imperativ des Genießens‹, ›Der Diskurs des Kapitalisten‹). Sie werden im gemeinsamen Gespräch mit Symptomen aktueller Politik in Beziehung gesetzt. Im Keller zu Gast sind zu diesem Anlass der ausgewiesene Lacan-Experte Prof. Dr. Dominik Finkelde von der Hochschule für Philosophie München und der Microtonal-Jazzer Rami Olsen.
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Subjekt zu sein bedeutet immer auch, sich selbst gesetzte Grenzen zu überschreiten. Ein Subjekt schweift aus, es kennt kein Maß. Es tritt aus dem Dunkel ihm unzugänglicher Ordnungen hervor, die sich durch diesen Austritt selbst erst bestimmen lassen. Ein Subjekt wird somit immer erst gewesen sein. Es konstelliert sich in einem ›Futur II‹ und arbeitet dadurch unablässig seine eigene Zukunft auf. Was bedeutet Subjektivität heute? Welche politische Zukunft wird sie gehabt haben? Aus welchen normativen Ordnungen taucht sie auf und was verführt uns, diese Ordnungen zu überschreiten?
Der Abend durchquert die Frage exzessiver Subjektivität ausgehend von einer Interpretation des vom französischen Psychoanalytiker Jacques Lacan entwickelten ›Graph des Begehrens‹, einer Ansammlung von herausgehobenen Punkten und sich kreuzender Linien, die das Zusammenspiel bewusster und unbewusster Instanzen im Prozess der Selbst-Werdung visualisieren. Ins Zentrum rückt dabei Lacans Begriff eines pathologischen Genießens. Genuss wird anscheinend immer weniger Selbstzweck, sondern zunehmend Zwangsverordnung: »Genieße, um Dich produktiv zu halten!« Können wir nicht mehr existieren, ohne ein wie auch immer geartetes Abhängigkeitsverhältnis zum Genießen zu entwickeln? Verfallen wir in eine rastlose Suche nach »Mehr-Lust«, so wie es der slowenische Philosoph Slavoj Žižek konstatiert? Oder lassen sich im Konsum-Moloch widerständige Genuss-Praxen kultivieren, die auf eine neue Politik des Verzichts verweisen? In welchen Nischen brächen sie sich Bahn?
Metaphysik für »idealistische philosophische Lehre von den jenseits der sinnlich wahrnehmbaren Welt angenommenen Erscheinungen und Zusammenhängen«. Mlat. metaphysica (10. Jh., oder schon bei Boethius?) ist hervorgegangen aus griech. tá metá tá physiká (τὰ μετά τὰ φυσικά), eigentlich ›die nach der Naturlehre‹, Akkusativ Plur. Neutr. des Adjektivs griech. physikós (φυσικός) ›natürlich, von der Natur hervorgebracht‹ (s. Physik). Unter dieser Bezeichnung werden (seit dem 1. Jh. v. u. Z.) in den Ausgaben der Schriften des Aristoteles seine 13 Abhandlungen der Philosophie zusammengefaßt, da sie in der Anordnung denen über die Natur(wissenschaften) nachfolgen (lat. post naturālia). Das daraus durch Zusammenrückung entstandene Substantiv mlat. metaphysica f. steht daher für die Philosophie des Transzendenten, begegnet seit dem 14. Jh. in dt. Texten, übersetzt mit frühnhd. übernaturliche kunst. – metaphysisch Adj. ›die Metaphysik betreffend, zu ihr gehörend, überirdisch, transzendent‹ (18. Jh.), mlat. metaphysicus; vgl. frz. métaphysique (16. Jh.).