Ausgangspunkte
Adorno bleibt aktuell. Sein denken insistiert, sprachlich, politisch, künstlerisch. Gleichzeitig wirkt seine Philosophie teilweise wie aus der Zeit gefallen. Seine Syntax fordert uns heraus. Sie bietet gedanklichen Schutz inmitten einer finsteren Zeit, in der sprachliche Regression zum wohlkalkulierten politischen Mittel avancierte. Adorno muss erneut, muss ›quer‹ gelesen werden. Auf diese Weise lassen sich Gedankenfiguren gewinnen, die ein »Nicht weiter, so« ermöglichen.
Das Grauen tendiert aktuell nicht mehr Richtung vernebelter Dunkelheit. Es leuchtet in den fünf Farben eines diabolisch-kalkulierten ›Farbverlaufs‹. »Unser Farbverlauf gehört zu Instagrams Merkmalen mit dem höchsten Wiedererkennungswert. Durch die neue Dynamik und Dimensionalität ist er jetzt noch ausdrucksstärker.« (Instagram) Instagram erstrahlt in neuem Licht. Das mit dieser Illumination verbundene Unheil gälte es negativ-dialektisch zu reflektieren.
Der Netzwerkkapitalismus bewirtschaftet Information in einer Weise, die Ökonomien negativer Affekte produktiv werden lässt (Ressentiment, Urteilslust, Neid, Bewertungszwang und -phobie). Dadurch entstehen mediale Formate die die Ventilation rechter Schwurbelei begünstigt, moduliert, optimiert. Die (immer schon latent vor sich hinbrodelnde) Suppe kocht nun hoch, sie dringt an die Öffentlichkeit. Das Meinungshafte wird salonfähig, was fluchthafte Regression vor anstrengenden demokratischen Prozessen ermöglicht. Das Bürgertum ist ratlos. Einerseits hat es die digitale Maschine hervorgebracht und gehegt und gepflegt. Andererseits will der populistische Mob ihm nun an die Gurgel. Quo Vadis Abendland? Wie können wir unsere parlamentarische Identität noch genießen wo Musk und Co sie in den Schmutz ziehen? Führt ein Weg aus der vulgären und toxisch-gefährlichen Massenkultur heraus? Oder lieber doch Waldorf-Schule und ‚digital detox‘, Flucht aufs Land, wo wenigstens die Bäume noch grün sind? Was haben wir uns bloß eingebrockt, was dabei gedacht? Die Kapitalismuskritik, die Kritik des digitalen Kapitalismus muss sich an der Frage des Faschismus teilen, differenzieren, ereignen. Das betrifft dann auch die Rolle der Massenkultur. Lassen sich bei Walter Benjamin Argumente und Strategien dafür finden, Instagram & Co antifaschistisch zu nutzen? Oder führt das – zumindest Adorno zufolge – nur weiter in die Misere hinein? Diese Frage wird ungleich komplexer, weil jede Massenkultur (Riefenstahl ebenso wie AgitProp, Höcke ebenso wie Wagenknecht) mit einer Bewegung (vulgärer) Ästhetisierung verbunden ist. IKEA lässt grüßen. Zwar machen es sich jetzt mehr Leute ›schön‹, partizipieren am ästhetischen Signifikanten. Aber unter der ›schön‹-fluiden Oberfläche ... Welche Despoten schlummern unter ihr?