Januar 2025
Der Horizont des philosophischen Denkens verfinstert sich. Wo rechtsradikale Populismen und hegemoniale Meinungsmärkte um sich greifen, sieht sich ein Zusammenhang begründeter Argumente in die Defensive gedrängt. Insbesondere die drohende Klimakrise scheint den philosophischen Diskurs vor unlösbare Probleme zu stellen. Jede absehbare Zeitstruktur ist hier aus den Fugen geraten, was die Einsicht in Fakten mit Ignoranz und ängstlicher Verleugnung zusammenfallen lässt. Welche Aufgabe kommt der Philosophie in einer solchen Situation zu? Wodurch interagierte sie mit Kunst und Gesellschaft? Müsste sie sich zukünftig ›populärer‹ formatieren? Oder ist sie schon längst in ein Rückzugsgefecht gegenüber ihren eigenen metaphysischen Voraussetzungen eingetreten, was ihren Geltungsanspruch zerfallen lässt?
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Januar 2025
Künstlerische Konzepte von »relaxed performance« und »Aesthetics of Accessabilty« werden in jüngster Zeit immer eingehender diskutiert. Sie antworten auf eine kaum noch einzuhegende Eigendynamik eines durchökonomisierten Kunstbetriebs, der seine Institutionen und die darin arbeitenden Menschen an ihre immanenten Grenze zu treiben droht und zur gleichen Zeit viele Mitglieder der Gesellschaft vom vermeintlichen ›Kunstgenuss‹ ausschließt und marginalisiert. Ein um sich greifender Repräsentationszwang scheint die Regie an sich gerissen zu haben, was nach Blockade, Bremsung und einer systematischen Bestreikung von Aufmerksamkeitsökonomien verlangt. Welche Formate lassen sich hier bilden, welche Strategien sind erlaubt?
Januar 2025
Allem Anschein nach hat der Kapitalismus den Horizont seiner eigenen Zukunft hinter sich gelassen. Dennoch werden wir nicht müde zu spekulieren, zu planen und zu konzipieren und das mit vollem Recht. Denn nur eine Interaktion von Künsten, Politik und Philosophie wird in der Lage sein dem dunklen Dräuen des Zukommenden so etwas wie eine ›Stirn‹ zu bieten. In einer Virtualität von Querbezügen und unmöglichen Verbindungen lassen sich die Strukturen eines neuen und zukünftigen Diskurses abzeichnen, der sich ausreichend Zeit für das reserviert hat, was erst noch kommen mag ...
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2024
Dezember 2025
Der Begriff der ›Maschine‹ ist in philosophischer Hinsicht ein Januskopf. Zum einen beschreibt er technisches und in gewisser Weise logisch-sinnfälliges Gebilde, das gewissen rationalen Kriterien zu gehorchen hat und eine präzise sprachliche Abgrenzung vor Schwierigkeiten stellt. Zum anderen eignet er sich wie kaum ein anderer Begriff zur Metaphorisierung: es gibt wenig Zusammenhänge, die sich nicht in gewisser Hinsicht auch als ›maschinisch‹ fassen ließen, eine ganze Armada maschinischer Begriffe in der deutschen Sprache zeugt davon. Dabei scheinen zwei Konstituentien wesentlich zu sein: das Funktionieren der Maschine und ein durch sie zu erreichender Effekt. Mit Maschinen auf diese Weise terminologisch in Kontakt zu treten, heißt in eine Welt der Vielheiten einzutreten, in der sich verschiedene Bedeutungen, historische Entwicklungen und künstlerische Adaptionen überlagern. Denn eine Maschine ist immer auch eine soziale Angelegenheit.
Dezember 2024
Was auch diesem fragwürdigen Buche zu Grunde liegen mag: es muss eine Frage ersten Ranges und Reizes gewesen sein, noch dazu eine tief persönliche Frage, - Zeugniss dafür ist die Zeit, in der es entstand, trotz der es entstand, die aufregende Zeit des deutsch-französischen Krieges von 1870/71. Während die Donner der Schlacht von Wörth über Europa weggiengen, sass der Grübler und Räthselfreund, dem die Vaterschaft dieses Buches zu Theil ward, irgendwo in einem Winkel der Alpen, sehr vergrübelt und verräthselt, folglich sehr bekümmert und unbekümmert zugleich, und schrieb seine Gedanken über die Griechen nieder, - den Kern des wunderlichen und schlecht zugänglichen Buches, dem diese späte Vorrede (oder Nachrede) gewidmet sein soll. Einige Wochen darauf: und er befand sich selbst unter den Mauern von Metz, immer noch nicht losgekommen von den Fragezeichen, die er zur vorgeblichen "Heiterkeit" der Griechen und der griechischen Kunst gesetzt hatte; bis er endlich in jenem Monat tiefster Spannung, als man in Versailles über den Frieden berieth, auch mit sich zum Frieden kam und, langsam von einer aus dem Felde heimgebrachten Krankheit genesend, die "Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik" letztgültig bei sich feststellte. - Aus der Musik? Musik und Tragödie? Griechen und Tragödien-Musik? Griechen und das Kunstwerk des Pessimismus? Die wohlgerathenste, schönste, bestbeneidete, zum Leben verführendste Art der bisherigen Menschen, die Griechen - wie? gerade sie hatten die Tragödie nöthig? Mehr noch - die Kunst? Wozu - griechische Kunst? ...
Dezember 2024
Nach dem positiven Förderbescheid der Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke der Hansestadt Hamburg wird das Graduiertenkolleg ARTILACS – Artistic Intelligence in Latent Creative Spaces unter Federführung der HfMT Hamburg im kommenden Jahr seine Arbeit aufnehmen. Das künstlerisch-wissenschaftliche Verbundprojekt von vier Hamburger Hochschulen – HAW Hamburg, HCU Hamburg, HFBK Hamburg und HfMT Hamburg – unter Gesamtleitung von Prof. Dr. Georg Hajdu (HfMT) ist auf eine Laufzeit von 3 Jahren angelegt. ARTILACS rückt das Konzept einer »Künstlerischen Intelligenz« in den Fokus. Damit wird eine kritisch-affirmative Auseinandersetzung mit den Entwicklungen der Künstlichen Intelligenz (KI) im Kontext künstlerischer Praxis adressiert. Es soll untersucht werden, inwiefern eine hybride Kombination aus KI-gestützten, latenten Räumen und traditionellen Wissensräumen der künstlerischen Praxis Chancen für neue Formen von Kreativität und Erkenntnis eröffnet, die sich im Konzept einer »künstlerischen Intelligenz« methodologisch fassen lassen. Während der Laufzeit ist ein Zusammenschluss von Wissenschaft, Lehre und künstlerischer Praxen der unterschiedlichen Hochschulen geplant ...
November 2024
»In unserer westlichen Kultur ist die Zauberflöte nicht nur ein Singspiel, sie ist nicht nur künstlerisches Material. Sie ist eines der meistgespielten Werke, das als geeignet für ein breites Publikum gilt; und nicht nur das, sie wird als unveränderliches Werk betrachtet, das jeder kennen und respektieren muss, wie man ein Denkmal respektiert. Aber ist es nicht paradox, dass Musik und Theater ausgehend von einem so konkreten Ursprung - dem Manuskript - so sehr idealisiert werden, dass sie als monumentale und unveränderliche Werke gelten?Das unbeständige Territorium des Manuskripts, voller Flecken und Auslöschungen, in dem sich jedes musikalische Element verändern kann, gibt es nicht mehr: Die Zauberflöte ist Eigentum von Theatern, Verlegern, Konservatorien und der westlichen Hochkultur. Aber wie kann man die Zauberflöte auf den neuesten Stand bringen?« (Sofia Cadisco)
November 2024
Im »Keller der Metaphysik« muss aufgeräumt werden. Aktuell angesichts der Frage der „Gleichheit“, die uns in unauflösbare gesellschaftliche Probleme zu stürzen droht. Was bedeutet Gleichheit heute? Wie lässt sie sich umsetzen und konkretisieren? Wo betrifft sie uns alle gleichermaßen, wann teilt und unterscheidet sie uns? Als Philosophin, die an einer Theorie der radikalen Gleichheit und des „Universalismus von unten“ arbeitet, haben wir Jule Govrin eingeladen, die uns bei unseren (mentalen) Aufräumarbeiten unterstützt. Wir sprechen mit ihr über die Suche nach gelebter Gleichheit in der Gegenwart. Dabei blitzt – im Keller - womöglich ein neuer „Universalismus von unten“ auf. Ein Universalismus, der solidarische Gefüge der Sorge mit egalitären Politiken der Körper ineinandergreifen lässt. ...
November 2024
Es gibt Tage, an denen ein sich selbst gesetztes Vorhaben und die Bedingungen seiner Realisierung in eine gewisse ›Dissonanz‹ geraten. [2] Als ich mich gestern Morgen an meinen Vortrag über »musikalische Spontaneität« für die Tagung »Verweile doch…« an der HfMT setzen wollte, nachdem ich diese Pflicht zuvor in einer performativen Weise vor mir hergeschoben hatte, erreichte mich in meinem Unterrichtsraum 007 rot eine »Eilmeldung« derTagesschau-App. [2] Es war 8.18 Uhr und die Redaktion von ARD-aktuell vermeldete »Trump sichert sich auch Swing State Pennsylvania und steuert auf Sieg zu.« Ein weiteres finsteres Kapitel der jüngeren Weltgeschichte war aufgeschlagen, dessen politische Konsequenzen uns wohl erst in einiger Zeit in ihrer ganzen Tragweite erreichen ...
Oktober 2024
Welches ›Wissen‹ generiert die Kunst? Wie lässt sich dieses Wissen erforschen? Inwiefern kann die eigene künstlerische Praxis durch eine Kontaktaufnahme mit wissenschaftlichen Methoden in ihrer Wirksamkeit verstärkt werden? Das Lehrangebot versucht in Sachen »Künstlerische Musikforschung« Anknüpfungsmöglichkeiten zu schaffen. Dabei wechseln sich praktische Erkundungen eines bereits bestehenden Forschungsgebietes mit theoretischen und innovativen Inputs ab. Es soll zudem versucht werden, einen politischen Aktualitätsbezug zur künstlerischen Praxis herzustellen. Erste eigenständige Forschungsprojekte der Studierenden werden am Ende des Semesters in einem innovativen Konzert-Setting präsentiert. Das Angebot richtet sich dezidiert an alle diejenigen Studierenden, die Interesse daran haben ihre eigene künstlerische Praxis experimentell zu erforschen und mit wissenschaftlichen Methoden in Kontakt zu setzen ...
Oktober 2024
Thirdly, and most importantly in this context, in the context of a discourse on artistic research, AI will never be able to take something like a political position, a fundamental flaw from an artistic perspective, which it can even reflect on itself, as my Adobe Acrobat »AI Assistant« 'assured' me yesterday. [*]
Without a political position, however, without a certain politics of knowledge, the idea of artistic research would be meaningless, since no artistic knowledge could be imagined that had not been born, at least unconsciously, out of an interconnection with politics. The auxiliary science A1 must therefore be well educated politically by its guiding science artistic research in order to avoid unpleasant 'slips'. #populism, fake news an so on]
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Oktober 2024
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September 2024
Wird die Metaphysik aktuell in den Keller verfrachtet, um dort in Ruhe zu verwahrlosen? Die Gesprächsreihe fragt nach aktuellen Implikationen metaphysischer Gedankenfiguren und Begriffe. Dabei ist Improvisation ebenso gefragt, wie freie Assoziation, Publikumsbeteiligung und musikalische Abwegigkeit. Die Methode der Kellermetaphysik ist wohl noch herauszuarbeiten. Fangen wir schnell damit an, jetzt, da das Hamburger SchauSpielHaus die »Realnische 0« freigelegt hat! War die Metaphysik in gewisser Weise nicht immer schon unterirdisch?
September 2024
Subjekt zu sein bedeutet immer auch, sich selbst gesetzte Grenzen zu überschreiten. Ein Subjekt schweift aus, es kennt kein Maß. Es tritt aus dem Dunkel ihm unzugänglicher Ordnungen hervor, die sich durch diesen Austritt selbst erst bestimmen. Ein Subjekt wird somit immer erst gewesen sein. Es konstelliert sich in einem »Futur II« und arbeitet unablässig seine eigene Zukunft auf. Was bedeutet Subjektivität heute? Welche politische Zukunft wird sie gehabt haben? Aus welchen normativen Ordnungen taucht sie auf und was verführt uns, diese Ordnungen zu überschreiten? ...
September 2024
Wie die von Rimbaud eingeführte Sprachakrobatik deutlich macht, spricht die poetische Sprache stets durch diejenigen hindurch, die sie verwenden. Dabei lässt sie die Beziehung von Subjekt und Objekt unscharf werden. Wer schreibt, leidet gelegentlich daran, den durch die Sprache angestrebten Sinn nicht vollständig zu erreichen. Er setzt sich der Kraft einer vorgegebenen symbolischen Ordnung aus, die seine eigene Endlichkeit übersteigt. Dementsprechend ist auch Rimbauds, unter offensichtlichen »Leiden« gefundene, poetisch-melancholische Selbstdiagnose (»Ich ist ein anderer…«) eher unzeitgemäß ...
April 2024
Hip Hop ist aktuell. In wohl kaum einem anderen popkulturellen Genre kristallisieren sich derartig viele Probleme einer zeitgemäßen Zeichenpolitik, die ästhetisch analysiert und praktisch weitergetrieben werden können. Wir können viel vom Hip Hop lernen, insbesondere mit Blick auf die hiesige Institution einer ›hochkulturellen‹ Wissensproduktion. Im Seminar soll – ausgehend von einer groben Nachzeichnung der Grundideen und Entwicklungslinien des Hip Hop – theoretisch und praktisch erforscht werden, inwiefern sich die Aktualität des Hip Hop künstlerisch-wissenschaftlich begreifen lässt. Dabei werden auch Künstler:innen aus der Hamburger Hip Hop-Szene zu Wort kommen: sie werden eingeladen, ihre jeweiligen Arbeiten im Seminar zu präsentieren und die damit verbundene Auslegung des Hip Hop zu erläutern...
April 2024
Die Gemeinschaft zerfällt. Zugleich setzt sie sich immer wieder neu zusammen und nimmt ungeahnte Konsistenzen an. Was aber ist eine Gemeinschaft? Und worin unterscheidet sie sich von einer Gruppe, einem Ensemble, dem Kollektiv? Das Seminar fragt nach aktuellen Potentialen gemeinschaftlichen Handelns und nach den von diesen ausgehenden Ästhetiken und Politiken. Zur Kronzeugin wird dabei die theatrale Praxis, die wohl wie niemand anderes sonst etwas zur Frage des Gemeinsamen, der Gruppe und der unablässigen Bewegung der ›Dividuation‹ mitzuteilen hat. Ausgehend von kanonischen Texten der französischen Differenzphilosophie (Nancy, Blanchot, Deleuze) soll die Perspektive gezielt auf feministische, queere und postkoloniale Gemeinschaftstheorien geöffnet werden. ...
April 2024
Die Erfahrung des Schönen kann durchaus traumatisch sein. Sie ermöglicht Kontaktaufnahme mit dem Unendlichen, was zugleich in die Niederungen der unmittelbaren Begrenztheit führt. Demensprechend präsent ist im ästhetischen Diskurs über das Schöne die Frage nach der Hässlichkeit. Was schön ist, was hässlich, liegt dabei zunächst in den Augen der Betrachter:innen. Zugleich reichert sich diese Kategorienbildung schnell mit politisch-ästhetischem Sinn an, die aktuell in Auseinandersetzungen um Körperbilder und ästhetische Machtpolitiken zum Ausdruck kommt. Das Seminar rekonstruiert eine aktuelle Theorie des Schönen anhand diverser historischer, aktueller und abwegiger Beispiele ...
April 2024
Wer schreibt, muss sich von dem Text tragen lassen, den er schreibt, muss sich ihm anvertrauen, in ihm »wohlfühlen« können wie in einer Fremde, die gleichwohl ein zu Hause bietet. Wie aber in einen solchen Text sich einfinden, wie ihn beginnen? Und wie in ihm fortfahren? Text-»Genres« sind hier zunächst hilfreich, weil sie den Duktus eines Textes vorzeichnen und eine gewisse Richtung vorgeben. Was aber ist eine Nachricht, was ein Kommentar, was sind Thesen, was ein Aufsatz, ein Essay, ein Traktat, eine Abhandlung? Und was sind die Spezifika einer Dissertation? Welche Elemente anderer Genres kann sie absorbieren, welcher solcher Elemente hat sie sich zu enthalten? Und worin bestehen im Übrigen die »stilistischen Eigenarten« einer Autor:in? Wie teilen sie sich einer Ausarbeitung mit, um ihr ein unverwechselbares »Timbre«, eine spezifische »Handschrift« zu verleihen? …
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März 2024
»Ein derartig ungezeugtes Wissen, so ließe sich im Sinne des Neuen Materialismus argumentieren, stellte die dynamische Materialität einer zeitgemäßen Bildungsinstitution dar, etwas also, das sich in seiner eigenen Vermittlung überhaupt erst herausbildet und immatrikuliert. Dieses Wissen entzöge sich dem um sich greifenden Ordo einer akademischen Aufzucht fürsorglich überwachter Lernschritte, die bis ins Einzelne kalkulierbar und evaluierbar sein sollen. Es widersetzte sich gängigen Techniken einer marktförmigen Disziplinierung, die ebenso ökonomische wie ordnungspolitische Dimensionen aufweist – Beispiele hierfür sind etwa Credit Points, Akkreditierungs-Agenturen oder Qualitäts-Management – und mit denen mächtige Interessen aktuell eine Unterwerfung aller Institutionen des Wissens unter das Diktat einer Maximierung von Mehrwert vorantreiben ...«
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Februar 2024
»Die Formel I PREFER NOT TO schließt jede Alternative aus und verschlingt ebenso das, was sie zu bewahren vorgibt, wie sie auch jede andere Sache beseitigt; sie impliziert, dass Bartleby abzuschreiben, das heißt Worte zu reproduzieren aufhört; sie lässt eine Unbestimmtheitszone wachsen, so dass die Worte sich nicht mehr unterscheiden, sie schafft die Leere in der Sprache. Aber sie entschärft auch die Sprechakte, denen zufolge ein Arbeitgeber befehlen, ein wohlwollender Freund Fragen stellen, ein aufrichtiger Mensch Versprechungen machen kann. Würde Bartleby sich weigern, könnte er noch als Rebell oder als aufsässig ausgemacht werden und in dieser Rolle noch eine gesellschaftliche Rolle übernehmen ...«
Januar 2024
Die Annahme, dass die ebenso gehegten, wie gepflegten Kunstwerke der europäischen Musiktradition vom historischen Kontext einer kolonialen Verfallsgeschichte unbehelligt entstanden seien, erscheint heute – so hartnäckig sie sich auch immer halten mag – als wahnhafte Projektion. Selbstverständlich klingt auch in den Werken der Tradition ein ›eurozentrisches‹ Gedankengut wider, das nicht zuletzt die gängige musiktheoretische Terminologie geprägt und beeinträchtigt hat. Der eintägige Workshop begibt sich hier auf eine kritische Spurensuche. Er legt kolonialistische und rassistische Gedankenfiguren in Texten der musiktheoretischen Tradition frei, um sie mit den dort verhandelten Werken in Beziehung zu setzten ...
Januar 2024
»Statt qualitätssichernde Maßnahmen voranzutreiben, die letztlich die Auftrennung der Fächer und Disziplinen stillschweigend forcieren und somit eine auf Arbeitsteilung gründende Ökonomisierung von Wissensbeständen protegiert, könnte beispielsweise alternativ eine neue musiktheoretische Aussagenproduktion angestrebt werden, die beanspruchen würde, konventionelle Diskurseinteilungen in Fragezustellen und die mit ihnen verbundene Disziplinierung zu unterlaufen. Gemeint wäre beispielsweise das Vorhaben, eine fachspezifische, auf Verfahren künstlerischer Musikforschung ausgerichtete musiktheoretische Epistemologie zu betreiben, die gerade diejenigen Konfigurationen eines musikalischen Wissens in den Blick nimmt, die weder in den einzelnen musikalischen (musikpraktischen, künstlerischen) noch musikbezogenen (musikwissenschaftlichen, musikästhetischen) Disziplinen und Wissenschaften aufgehoben sind ...«
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2023
November 2023
›Arbeit‹ ist eine diffuse Kategorie. Wo fängt sie an, was markiert ihr Ende? Und wie sollte Arbeit ›angemessen‹ entlohnt werden? Welche Instanzen entscheiden über den Sinn von Arbeit, wer spricht ihr jegliche Berechtigung ab? Solche Fragen werden in künstlerischen Zusammenhängen in einer besonderen Weise relevant. Eine im Arbeitsbegriff selbst anthropologisch angelegte Spannung zwischen ökonomischer Reproduktion und ideeller Sinnstiftung wird hier wirksam, die in unlösbare Widersprüche führt. Das Seminar setzt Texte der philosophischen Arbeitstheorie mit aktuellen Symptomen der theatralen Kunstproduktion in Beziehung. Dabei soll es unter anderem darum gehen, nach zukunftsweisenden und nachhaltigen Formen künstlerischer Arbeit zu suchen, die bislang nur im Modus ihrer experimentellen Erprobung zugänglich sind …
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November 2023
›Brav‹ zu sein bedeutet, sich unaufgefordert an bestehende Regeln zu halten. Wer brav ist, gehorcht gerne und genießt den Schutz nicht weiter zu hinterfragender gesellschaftlicher Norm. Aktuell gerät die bürgerliche Kardinaltugend des Braven allerdings an eine brisante Schnittstelle. Einerseits werden Gehorsamkeitsregime auch im künstlerischen Bereich kontinuierlich ausgeweitet. Andererseits verlangt der Markt permanent nach zumindest simulierter Rebellion, um neue ›Alleinstellungsmerkmale‹ zu erschließen. Und wenn es so etwas wie eine These ist, die ich im Folgenden ausführen will, so ließe sich ihr Inhalt wie folgt zusammenfassen: Die spätmodernen, ordoliberalen, das heißt auf einer autoritären Durchsetzung und Ausweitung marktförmiger Systeme der Kontrolle und Selbstkontrolle westlicher Gesellschaften gewinnen zusehends Kohärenz aus einem »primär defensiven Weltverhältnis«, das mit der Bereitschaft zur weitestgehenden Anpassung an gegebene Verhältnisse einhergeht ...
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November 2023
Das Bürgertum hat ein gespaltenes Verhältnis zum Affekt. Einerseits sollen Affekte produktiv gemacht werden und in die Passform eines gelungenen Lebens eingetragen. Andererseits bedrohen Affekte den geregelten Verkehr von ›Reiz‹ und ›Reaktion‹: Sie lassen sich nur durch kalkulierte Strenge zügeln und koordinieren. Der Workshop lotet das Verhältnis von Affekt und Bürgerlichkeit praktisch wie theoretisch aus. In den Fokus gerät dabei eine kaum zu kontrollierende Beziehung von Nähe und Distanz, die ihr Gegenbild – zunehmend – in »bürgerlicher Kälte« (Kohpeiß 2023) findet.
November 2024
»Wir alle lieben die Vielfalt und wollen uns gerne mit ihr befassen, vergessen dabei aber gelegentlich, dass es sich bei Diversität immer auch und womöglich vor allem um ein ökonomisches Thema handelt, da gezeigt werden kann, dass Diskriminierung und soziale Ausgrenzung viel mit einer Ungleichverteilung finanzieller Ressourcen verbunden ist, womöglich sogar auf ihr basiert. [Karl Marx hat es als erster für uns ausbuchstabiert, viele andere folgten: der gesellschaftliche Hauptwiderspruch ist klassenbezogen und ökonomisch. Alle weiteren gesellschaftlichen Widersprüche sind Effekte ökonomischer Ungleichheit, in gewisser Weise deren ›Akzidenzien‹. Und hier ist die Sprache der Fakten tatsächlich alles andere als divers, eher erschreckend klar, »In Deutschland« ich zitiere aus einer aktuellen Publikation von Francis Seeck, Zitat, »verfügt das reichste Zehntel über 65 Prozent des Gesamtvermögens, während die untere Hälfte nur 1 Prozent des Gesamtvermögens besitzt. Von diesen unteren 50 Prozent [mit einem Prozent Gesamtvermögen] wiederum haben 20 Prozent überhaupt kein Vermögen oder sind sogar verschuldet ...«
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